Was genau macht der Platz, an dem man zeltet, mit einer Familie? Ehrlicher Bericht einer geforderten Mutter.
Von Vanessa Krieg
Ich dachte, wir hatten die Knaller-Idee: ein Zelturlaub in Holland, mitten in den Dünen. Der Strand direkt vor der Tür, andere Kinder auch, dazu Spielplätze, eine Menge Platz, das Meer. Doch was ist passiert? Es ist letztlich einer der anstrengendsten Urlaube geworden, die wir bisher hatten – und wir waren vier Wochen nur mit Zelt und Auto in Schottland, sind mit dem Wohnmobil zwei Monate durch Skandinavien gefahren und einen Monat durch die USA. Haben Schneestürme und Sturmnächte zusammen gemeistert ebenso wie Wolkenbrüche und Hitzetage.
Dennoch waren die zwei Wochen Zelten auf der Insel Texel besonders anstrengend, natürlich nicht nur. Denn es war von allem etwas dabei. Und wir hatten auch tolle, lustige und harmonische Momente an schönen Orten, Tage am Strand, Krebse fangen im Hafen, ein Picknick am Watt, Muschelsammeln, Leuchtturm entdecken.
Sand + Regen = Probleme
Doch die Gegebenheiten waren nicht so optimal, wie von uns gedacht. Und von den Kindern empfunden: Der Weg zum Toilettenhäuschen war für den Vierjährigen jedes zweite Mal zu lang, sodass wir ihn getragen haben. Oder er auf eigene Faust für eine Abkürzung los ist und dann für eine Stunde verloren ging. Ebenso wie der Sechsjährige auf seinen heiß geliebten Geheimpfaden in dem sehr weiten Gelände. Und, ganz überraschend: Beide Söhne mochte keinen Sand an den Füßen haben, vor allem keinen nassen Sand, was auf einem Campingplatz in den Dünen eher schlecht ist. Vor allem auch dann, wenn es öfter regnet wie in unseren zwei Wochen.
So ist „Sand“ – das (Un-) Wort unseres Urlaubs geworden; Sand im Schuh, Sand im Käse, Sand im Zelt, Sand im Schlafsack – die Kinder störte der Sand fast überall, trotz aller guten Worte. Uns wurde klar, dass das ganz neu für sie war, und alle anderen Reisen, so toll sie dort mitmachten, mit dem Sand-Regen-Cocktail nichts zu tun hatten, der auch uns Eltern zu schaffen machte.
Ortswechsel, nicht immer einfach
Unsere Achtjährige, unser aufgewecktes, herzliches und lustiges Mädchen, tut sich an neuen Orten schwer. Das noch in Kombination mit in unserem viel zu klein gewordenen Familienzelt – die Stimmung war manchmal explosiv, sodass wir von einem Drama ins nächste rutschten, jeweils in mehreren Akten. Für unser sensibles und willensstarkes Kind hatten wir, trotz einiger Vorbereitung, keinen Ort der Entspannung ausgesucht. Zum anderen gibt es in einem statischen Urlaub – im Gegensatz zu den Roadtrips – kein Drehbuch, keine Struktur für den Tag. Das brauchen aber manche Kinder.
Wir gingen auf Texel später ins Bett und standen zwar auch etwas später auf, doch der Biorhythmus von zu Hause war verrutscht. Damit tat sich unsere Tochter unbewusst schwer. Und leider waren wir Eltern auch so mit Sand, zu kleinem Zelt, eigenem Schlaf und den anderen beiden kleinen Wesen beschäftigt, das wir es nicht immer gut geschafft haben, ihre Stimmungen aufzufangen.
Nach den ersten wilden Tagen, in denen sich sogar Nachbarn von uns abgewandt haben, hatte sich doch so etwas wie Routine und ein Gefühl des Angekommenseins eingestellt. Wir investierten noch mal in unsere dürftige Zeltausrüstung, und verlegten den Papa zum Schlafen ins Vorzelt, was für erhebliche Entspannung gesorgt. Gleichzeitig besannen wir uns auf vorherige Urlaube und dortige Erfahrungen und machten einen Ausflugs- und Aktionsplan. Auch das hat für bessere Stimmung gesorgt.
Geschwister-Kämpfe mit Lösungen
Dennoch sind wir auch in einem besonderen Zeitfenster: dem der Geschwister-Kämpfe, die im Urlaub nochmal heftiger auf engem Raum aufbrandeten. Wir haben es dort im Zelt nicht geschafft, die Eifersucht, den Neid und die immer erlebte Ungerechtigkeit zwischen den Geschwistern zu entzerren oder sie immer gut aufzufangen. Wenn der Kleinste zum Bad getragen werden möchte, möchte die Achtjährige das natürlich auch. Auch hier gab es Lösungen: Alle drei in den dann gemieteten Bollerwagen und der Friede war da, zumindest in dieser Frage.
Wichtig ist, trotz aller in Kauf genommener Abenteuer und Komfortentzug, etwas Entspannung im Campingurlaub mit so kleinen Kindern. Denn ist die Stimmung bei uns Eltern angespannt, werden Kinder auch schon mal ungerechtfertigt zur Entladungsstation; dann kann es schnell Abwärtsspiralen der Stimmung geben, die andauern. Raus kommt man dann, natürlich, nur mit einer Einstellungsänderung. Die kommt eventuell beim tiefem Durchatmen, dem Verlassen der Streitarena – wenn möglich – und der gründlichen Analyse danach, was man machen kann, damit der Stress etwas weniger wird – Essen gehen, alleine an den Strand, Lesen, Spazierengehen.
Den eigenen Schlaf nicht unterschätzen
Voraussetzung für den Stressabbau ist, wie zu Hause, ein guter – oder sagen wir mal etwas bescheidener – ein halbwegs ausreichender Schlaf als Eltern. Mittlerweile haben wir bei uns die Luxussituation, dass zu 80 Prozent die Kinder – alle drei – durchschlafen. So sind wir nun wieder zu 100 Prozent verantwortlich für unseren eigenen Schlaf. Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn die Kinder gehen jetzt auch etwas später ins Bett, wollen alle getrennt vorgelesen bekommen – und so zieht sich alles etwas mehr hin als früher. Dann kommt noch die Küche abends. Und dann noch der Versuch, etwas vom Abend zu haben, mit einem Glas Wein oder doch noch der Serie, die man blöderweise angefangen hat zu schauen und dann zu Ende guckt. Obwohl es schon spät ist.
Für mich ist nachts noch nicht viel Entspannung reingekommen, so dass ich bei jedem Hüsteln oder Klohgang der Kinder wach bin. Glücklicherweise kann ich schnell wieder einschlafen. Mein Mann leider nicht. Er wacht bei jeder nächtlichen Störung auf, welcher Art auch immer. Und geht es auf 5 Uhr morgens zu, so ist es für ihn an einschlafen nicht mehr zu denken.
Uns sind all diese Themen so bewusst, und wir haben darüber schon viel gelesen, geredet, gestritten und noch mehr probiert. Schlussendlich kommen wir zu dem Ergebnis: Es ist nicht einfach – und auch nicht ein gerader Weg, der sich immer wiederholt und berechnen lässt. Uns hat diese Erkenntnis geholfen, den Druck etwas rauszunehmen, alles perfekt machen zu wollen. Oder immer schnell eine Lösung zu finden – gerade im Urlaub.
Ich frage mich, ob Urlaub für uns weiter auf die Suche nach der richtigen Art des Urlaubs machen sollten. Oder ob wir doch einmal eher den Urlaub machen sollten, den wir Eltern möchten. Ab auf eine Alm und nur Wandern etwa. Dann ist der Entspannungsfaktor größer, und Kinder passen sich ja oft erstaunlich gut an. Aber ist das fair? Und wenn nicht? Die Suche geht wohl weiter. Etwas zumindest. Dünen sind es nächstes Jahr nicht mehr.